Zum Inhalt springen

Der leise Abschied vom sozialen Netzwerk: Warum posten unsere Freunde nicht mehr?

Erinnert ihr euch noch an die „guten alten Zeiten“ von Social Media? Das war doch mal der Ort, wo man schnell sehen konnte, was die Freunde zum Frühstück hatten, wohin die Tante in den Urlaub fuhr oder welches Babyfoto gerade die Runde machte.

Kurz gesagt: Es war sozial.

Aber wenn wir ehrlich sind: Wer von euch hat in letzter Zeit wirklich ein Update von einem Freund im Feed gesehen? Und ich meine jetzt nicht Storys, die nach 24 Stunden verschwinden, sondern einen echten Post, ein Foto, ein paar Zeilen vom „normalen Leben“. Ich musste bei dieser Frage in dem YouTube-Video, welches mir eine Freundin zukommen hat lassen, echt überlegen – und da bin ich wohl nicht alleine.

Die bittere Wahrheit ist: Social Media ist weniger „social“ geworden. Es ist mehr zu einem Ort des Konsums hochkommodifizierter Inhalte geworden. Der Feed ist voll mit:

  • Werbung (logisch, das ist das Geschäftsmodell).
  • Professionalisiertem Influencer-Content (alles perfekt inszeniert, unerreichbar).
  • Nachrichten-Headlines (die reine Informationsflut).
  • Und jetzt, haltet euch fest: KI-generiertem Text, Bildern und Videos (das „bedeutet nichts“, wie es im Gespräch heißt).

Die Plattformen haben die Inhalte von uns „normalen Leuten“ einfach depriorisiert. Der Aufwand, sich mit diesen Hochglanz-Inhalten und der KI-Flut zu messen, ist für den Durchschnittsnutzer viel zu hoch. Es fühlt sich einfach nicht mehr richtig an, sein Frühstück zu posten, wenn daneben ein perfekt inszeniertes Influencer-Video läuft oder eine KI-generierte Traumvilla gezeigt wird. Das Medium hat einen höheren Anspruch an Produktion und Qualität entwickelt.

Das Zeitalter des „Posting Zero“

Die Folge? Viele von uns haben einfach die Lust verloren, ihr Privatleben öffentlich zu teilen. Es gibt kaum noch einen Anreiz. Warum ein Selfie posten oder seine Gedanken teilen, wenn man kaum noch seine Freunde erreicht und stattdessen mit abstraktem, oft sinnlosem „Zeugs“ konkurriert?

Das ist das Phänomen „Posting Zero“. Die Plattformen verlieren ihren Bezug zum normalen Leben der Menschen, weil die Menschen keinen Grund mehr sehen, ihr normales Leben dort zu zeigen. Es ist, wie wenn Social Media zu einem reinen „Fernsehsender mit Werbeunterbrechungen“ geworden ist. Wir sind passive Konsument*innen, keine aktiven Teilnehmer*innen mehr.

Wohin verschwindet das „Soziale“?

Aber die menschliche Sehnsucht nach sozialer Verbindung verschwindet nicht einfach. Sie verlagert sich. Das Transkript deutet es an: Persönliches Teilen findet immer mehr in Direktnachrichten (DMs), Gruppenchats oder auf Plattformen wie Snapchat statt. Wir suchen wieder intimere, privatere Wege der Verbindung. Vielleicht sehnen wir uns sogar wieder mehr nach echten Treffen im realen Leben.

Was bedeutet das jetzt für’s Online-Marketing?

Das ist der springende Punkt für unsere Arbeit!

  1. Organische Reichweite für „normale“ Inhalte ist Geschichte: Wer immer noch darauf hofft, mit unperfekten Alltags-Posts viel organische Reichweite zu erzielen, muss sich umstellen. Die Algorithmen belohnen das nicht mehr. Hier kommt wieder unser „Brand Chem“-Ansatz ins Spiel: Wir müssen zuhören, anpassen und uns verändern, um relevant zu bleiben.
  2. Professionalisierung und Unterhaltung: Wenn die Feeds immer mehr wie „Fernsehen“ werden, müssen auch Marken ihre Inhalte dementsprechend anpassen. Das bedeutet oft höhere Produktionswerte, aber vor allem: höheren Unterhaltungswert oder echten Mehrwert. Wir müssen lernen, mit Influencern und sogar KI umzugehen – und diese Tools für uns zu nutzen.
  3. Authentizität ist Gold wert – aber anders: Inmitten von perfektem Influencer-Content und unendlicher KI-Füllmasse wird echte, menschliche Authentizität immer rarer und damit wertvoller. Es ist eine Gratwanderung: Wie können wir „unhinged marketing“ nutzen, um aus der Masse herauszustechen und menschlich zu wirken, ohne zu billig oder peinlich zu werden? Das erfordert Mut und ein sehr gutes Gespür für die Zielgruppe.
  4. Die Macht der Community und des direkten Dialogs: Wenn die öffentlichen Feeds immer „unsozialer“ werden, steigt die Bedeutung von echtem Communitymanagement und privater Kommunikation. Wie können wir unsere Zielgruppe dazu bringen, mit uns (oder sich untereinander über uns) in DMs oder privaten Gruppen zu sprechen? Das ist die neue „organische“ Nische.
  5. Der Fokus verschiebt sich: Vielleicht müssen wir akzeptieren, dass Social Media nicht mehr der primäre Ort für tiefgreifende persönliche Bindungen ist. Für Marken bedeutet das, ihre Ziele neu zu definieren: Ist es Brand Awareness, Lead-Generierung oder der Aufbau von Nischen-Communitys?

Die Ära des unbeschwerten Teilens ist vorbei. Social Media ist reifer, kommerzieller, professioneller und ja, auch anstrengender geworden. Aber das bietet auch neue Chancen für Marken, die bereit sind, sich anzupassen, kreativ zu sein und die neuen Spielregeln zu verstehen. Und vielleicht, nur vielleicht, bringt uns das ja auch wieder ein Stück näher an die echten Begegnungen im realen Leben zurück. Das wäre doch auch was, oder?

Wie „sozial“ findest du noch soziale Medien? Schreib mir hier oder lies hier mehr über meine Gschicht‘ nach!

Schlagwörter: