Da staunt der Laie, und der*die Expert*in wundert sich – oder so ähnlich. Während wir uns hierzulande noch an den Gedanken gewöhnen, dass Influencer nicht nur für Zahnpasta und hippe Sneaker werben, sondern uns demnächst direkt im Kurzvideo das neueste Gadget andrehen wollen, macht Tiktok Nägel mit Köpfen. Der Tiktok Shop steht in den Startlöchern für Deutschland. Und wenn man den Analysten glauben darf, dann steht uns da eine kleine Revolution ins Haus.
Ich muss ja gestehen, als ich das erste Mal davon hörte, dachte ich: „Brauchen wir das wirklich?“ Noch eine Plattform, die um unsere Aufmerksamkeit buhlt, noch ein Ort, an dem wir mit vermeintlich unwiderstehlichen Angeboten bombardiert werden. Aber dann habe ich ein bisschen genauer hingeschaut, was da eigentlich auf uns zukommt.
Die Zahlen, die da im Raum stehen, sind schwindelerregend. Bytedance, die Mutter aller Tiktoks, ist ein Gigant, ein globaler Player, der nicht nur mit seinen unterhaltsamen Kurzvideos Milliardenumsätze generiert, sondern auch noch in Künstliche Intelligenz investiert wie kein Zweiter. Und jetzt also der nächste Streich: der integrierte Shop.
Was das bedeutet? Nun, stellen Sie sich vor, Sie scrollen gemütlich durch Ihren Feed, lassen sich von witzigen Sketchen, beeindruckenden Tanzeinlagen oder informativen Häppchen berieseln – und plötzlich taucht mitten im Video ein kleines Einkaufssymbol auf. Ein Klick, und schon landet das gezeigte Produkt im Warenkorb. Bezahlt wird direkt in der App, die Lieferung ist inklusive. Zack, weg ist das Geld.
Tiktok weiß, wie sie uns kriegen
Klingt verlockend bequem, oder? Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Tiktok hat verstanden, wie man uns an den Haken kriegt. Der Algorithmus ist berüchtigt dafür, uns stundenlang an den Bildschirm zu fesseln. Über 100 Minuten täglich verbringen die Nutzer im Schnitt auf der Plattform! Das ist mehr als bei Youtube, meine Damen und Herren. Und diese geballte Aufmerksamkeitsspanne will Tiktok jetzt monetarisieren – und zwar auf die denkbar direkteste Weise.
Das Erfolgsrezept ist so simpel wie genial: Unterhaltung trifft auf Verkauf, ohne dass der Dopaminfluss unterbrochen wird. Während andere Plattformen ihre Shopping-Funktionen eher stiefmütterlich behandeln, setzt Tiktok von Anfang an auf eine nahtlose Integration. Und das Creator-Ökosystem, die Heerschar an mehr oder weniger professionellen Videoproduzenten, spielt dabei eine Schlüsselrolle. Wer auf Tiktok angesagt ist, kann seine Umsätze quasi über Nacht in die Höhe schießen. Für Marken und Händler, die bisher vielleicht eher auf traditionelle Werbung gesetzt haben, heißt das: Umdenken ist angesagt. Wer nicht auf Tiktok präsent ist, der existiert für eine wachsende Zahl potenzieller Kunden schlicht nicht mehr.
Wie reagiert der Handel?
Für den etablierten Handel, sowohl online als auch stationär, ist das eine echte Herausforderung. Amazon, Otto, Zalando – sie alle basieren auf der Suchintention der Nutzer*innen. Man weiß, was man will, tippt es ein und sucht. Tiktok hingegen setzt auf den spontanen Impulskauf, auf das „Haben-wollen“-Gefühl, das durch ein unterhaltsames Video ausgelöst wird. Das ist eine ganz andere Dynamik.
Und der stationäre Handel? Der steht vor einer doppelten Herausforderung. Nicht nur die Umsätze wandern weiter ins Netz ab, auch die Aufmerksamkeit der Konsumenten verlagert sich immer stärker in die digitale Welt. Aber vielleicht liegt darin auch eine Chance. Warum nicht die ruhigen Stunden im Laden für Live-Shopping-Events nutzen? Warum nicht selbst zum Content Creator werden?
Neue Ära?
Natürlich gibt es auch Bedenken. Vertrauen, Datenschutz, die Qualität der angebotenen Produkte – das sind alles Punkte, die Tiktok ernst nehmen muss, um in Deutschland Fuß zu fassen. Gerade Deutsche sind ja bekannt für das ausgeprägte Misstrauen gegenüber allem Neuen und Unbekannten. Aber wenn Tiktok die Hausaufgaben macht und ein sicheres, transparentes Einkaufserlebnis bietet, dann könnte sich hier tatsächlich eine neue Ära des Online-Handels anbahnen.
Also…
Ob Tiktok den deutschen Handelsmarkt tatsächlich auf den Kopf stellen wird, bleibt abzuwarten. Aber die Zeichen stehen auf Sturm. Nach den chinesischen E-Commerce-Raketen Temu und Shein betritt mit dem Tiktok Shop ein weiterer Player die Bühne, der das Potential hat, die Spielregeln neu zu definieren. Es wird spannend zu beobachten sein, ob dieser neue Shopping-Hype auch bei uns zündet. Ich jedenfalls werde meine Kreditkarte schon mal vorsichtshalber etwas tiefer im Börserl verstecken. Man weiß ja nie, was einem beim nächsten TikTok-Scroll so alles über den Weg läuft…
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